021. Prozesse vom Ende her denken

Prozesse vom Ende her denken

Das DRG-Fallpauschalen-System hat durch eine völlige Umkehr der finanziellen Anreizmechanismen seit den 90er Jahren eine Halbierung der durchschnittlichen Verweildauern bewirkt. Nicht für den ganzheitlichen Genesungsprozess oder den einzelnen Behandlungstag wird bezahlt, sondern für die Behandlung einer Hauptdiagnose.

Damit rückt das Entlassmanagement als einer der Kernprozesse der stationären Versorgung in den Fokus der wirtschaftlichen Prozessbetrachtung - mehr noch: die Entlassung wird zum wichtigsten Logistik-Prozess eines Krankenhauses. Im Ergebnis dieser Betrachtung ist es also vorrangige Aufgabe von Krankenhäusern, Patienten mit einem definierten (Behandlungs-)Ergebnis innerhalb einer definierten Zeit zu entlassen. Im Bewusstsein der Akteure im Krankenhaus stellt dies einen Paradigmenwechsel dar, den viele noch nicht wirklich vollzogen haben. 

Traditionell wirken in Krankenhäusern - in der Fachsprache des Prozessmanagements ausgedrückt - „push“-Kräfte, d.h. die Schubkraft des Aufnahmedruck bestimmt die Logistik. Mit der Folge, dass nachlaufende Prozesse unter Stress geraten und täglich ad-hoc-Entscheidungen improvisiert werden müssen, wo bei mehr Planung auch eine geregelte Organisation möglich sein müsste. Gangbetten, Wartezeiten auf Diagnostik, Überbuchung der OP-Kapazitäten, fehlende Intensiv-/IMC-Kapazitäten -die Prozesskette fällt von einer Verlegenheit in die nächste. Das erforderliche „trouble shooting“ zur raschen tagesaktuellen Problemlösung führt zu erheblichem Koordinationsaufwand und zu Reibungsverlusten unter den beteiligten Abteilungen und Berufsgruppen. Kennen Sie den Film "Täglich grüßt das Murmeltier?"...

Ganz anders die Wirkungsweise so g. "pull"-Kräfte: Hier denkt man die Prozesse des Krankenhauses vom Ende her und strebt mit allen Mitteln danach, eine geplante Entlassung zu organisieren - das sicher frei werdende Bett „zieht“ den neuen Patienten. Alle Risiken, die einer geplanten Entlassung entgegen stehen, werden in der Prozesskette so weit wie möglich nach vorne verlagert und rollierend fortgeschrieben. Schon im Vorfeld der Aufnahme, spätestens jedoch bei der Aufnahme selbst, wird viel Sorgfalt auf die Erhebung aller relevanten anamnestischen Daten und eine transparente Information aller Beteiligten bezüglich des geplanten Entlasstermins verwendet. Die Entlassung beginnt bereits mit der Aufnahme. Im Aufenthalt des Patienten sorgen strukturierte Instrumente, v.a. Visiten, Übergaben und Fallbesprechungen, dafür, dass der ursprünglich geplante Entlasstermin täglich weiter verifiziert wird. Die Visite erhält im stationären Kontext damit nicht nur eine Schlüsselrolle in der Steuerung der medizinisch/ pflegerischen Behandlung, sondern auch in der logistischen Planung des Patientenaufenthalts. Aus diesem Grunde tun Stationen gut daran, den Visitenprozess störungsfrei - d.h. effektiv und effizient - sowie berufsgruppenübergreifend zu organisieren. Wenn am Ende im Idealfall vielleicht nur ca. 80% der Entlassungen tatsächlich wie geplant erfolgen, dann entspricht dies 80% mehr Organisation als vorher.

So werden ein konsequentes Verweildauer- sowie Belegungsmanagement  zu logistischen Schlüsselprozessen bei der Sicherung einer größtmöglichen Wertschöpfung in der Patientenversorgung.

Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting:Die Vorteile von einer über die Bereiche und Berufsgruppen abgestimmten Prozessmanagement  und von Leanmanagement realisieren sich nicht von unsichtbarer Hand.

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