101. Chancen für Strategieberater im Gesundheitswesen
Chancen für Consultants im Gesundheitswesen
Das FAZ Interview mit Dr. Elke Eberts und Stefan Ruhl zu den Chancen, die sich dem Strategieberater auf dem Gesundheitsmarkt bieten.
Forschung und die evidenzbasierte Suche nach neuen Erkenntnissen, Wegen und Methoden sind Triebfedern der Medizin. Sich stetig mit neuen Ansätzen auseinanderzusetzen, Bisheriges loszulassen und auf dem Stand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zu handeln, ist eine der Stärken medizinischer Berufe. Der gleichzeitig enorme Kostendruck fordert diese kontinuierliche Veränderungskompetenz auch im organisatorischen Miteinander der Berufsgruppen rund um die Patientenversorgung. Heute mehr als je zuvor. Zu Recht werden Patienten immer anspruchsvoller. Der medizinisch-technische Fortschritt und der demografische Wandel sorgen für zunehmende Inanspruchnahme von guten medizinischen Leistungen auf der einen Seite und einer zunehmenden Konkurrenz um die besten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt auf der anderen.
Mediziner im vielschichtigen Feld der klinischen Versorgung mit praxistauglichen Ansätzen zu unterstützen, ist eines der anspruchsvollsten Themenfelder für Managementberater überhaupt: In der Patientenversorgung arbeiten Menschen mit Menschen für Menschen immer wieder in persönlichen Grenzsituationen des Lebens. Genau deshalb ist es zentral, hier organisatorisch weitmöglich für Entlastung durch optimale Organisation und Verantwortungsklärung zu sorgen. Berater, die sich auf die Fragestellungen von Ärzten, Pflegenden und Therapeuten tief genug einlassen, statt vorgefertigte Lösungen aus der Schublade zu ziehen, können im Aufbau professioneller Managementstrukturen in der Medizin einen echten Beitrag leisten. Der kaufmännischen Leitung im Krankenhaus fehlt die Zeit. Eigene Stabstellen der Geschäftsführung hierfür vorzuhalten, lohnt nur in größeren Verbundstrukturen, sonst fehlt die nötige Routine. Insofern liegt hier ein Handlungsfeld für externe Berater bei der Umsetzung kaufmännischer Ziele in Zusammenarbeit und im Schulterschluss mit den eigentlichen Leistungsträgern in den Fachabteilungen und Bereichen.
Was muss ein Consulting-Unternehmen mitbringen, um im Gesundheitsmarkt erfolgreich zu sein?
Branchenfremde Beratungen tun sich im Gesundheitswesen schwer. Sie brauchen aufgrund der Komplexität des Sektors lange, um passgerechte strategische Konzepte zu entwickeln. Eine Stellschraube zu verändern, bedeutet eine Vielzahl ineinandergreifender Rädchen anzupassen. Wird die Realität im strategischen Ansatz allzu sehr simplifiziert, dann fällt dies den Akteuren spätestens in der Umsetzung auf die Füße. Aufgrund des hohen Anspruchs hat sich die Ruhl Consulting AG in Mannheim auf den Bereich der Begleitung von Kliniken (inkl. Forschung & Lehre) spezialisiert. Es zeigt sich schnell, ob Beratung der reinen Exkulpation dient oder ob tatsächlich etwas in der Organisation nachhaltig verändert werden soll.
Im Krankenhaussektor sind die finanziellen Mittel knapp und Ressourcen müssen achtsam eingesetzt werden. Deswegen braucht es für ein Beratungsunternehmen immer wieder ein ausreichendes Maß an Demut: Wer als Klinik an eigenen Mitarbeiterressourcen spart, kann nicht beliebig externe Beratungsleistungen einkaufen. Selbst wenn die wirtschaftlichen Ergebnisse die Kosten mehr als kompensieren, muss die Ausgabenpolitik immer mit gutem Gewissen vor den eigenen Mitarbeitern zu vertreten sein. Beratungsunternehmen sollten sich diesen Zusammenhang immer wieder vergegenwärtigen und verantwortlich ihre Dienstleistungen für eine bessere Behandlungsqualität und -sicherheit der Patienten zur Verfügung stellen. Zufriedene Kunden empfehlen weiter und schaffen so die nötige Vertrauensbasis, um Veränderungsprojekte erfolgreich mit externer Begleitung umsetzen zu können.
Vor welchen spezifischen Herausforderungen stehen Gesundheitsunternehmen, und wie können Unternehmensberatungen hier helfen?
Der Markt steht vor mehreren Herausforderungen gleichzeitig. Drei Kernpunkte sind für Ruhl Consulting die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, die Führungsqualität und die Integration der vielfältigen Leistungserbringer in die Prozessverantwortung.
Zum ersten ist der Krankenhausmarkt faktisch unterfinanziert. Das DRG-System soll es richten, die knappen Mittel möglichst leistungsgerecht auf die verschiedenen Leistungserbringer zu verteilen. Doch es kann nicht mehr verteilt werden als zur Verfügung gestellt wird, und die reine Vorhaltung an medizinischer Leistung wird dadurch weder abgegolten noch reguliert. Ökonomisch gesehen wird die Kostenseite der Akutversorgung von Patienten reglementiert. Die Nachfrage nach medizinischer Versorgung wächst, die Personalkosten steigen kontinuierlich. Die Leistungserbringer vor Ort benötigen ein Grundverständnis der Vergütung und Transparenz über ihre Kosten- und Erlössituation, um ihre ökonomische Mitverantwortung sachgerecht tragen zu können. Beim prozessorientierten Herunterbrechen und dem Aufbau einer geeigneten Managementstruktur bietet sich der Einsatz erfahrener Unternehmensberater an, welche die Akzeptanz der Akteure vor Ort haben.
Zum zweiten stößt das seit Jahrzehnten im Klinikbereich gesetzte hierarchische Führungssystem zunehmend an seine Grenzen. Die junge Generation Y macht nicht mehr mit und entzieht sich dem gewachsenen System. Jahrzehnte lang über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus zu arbeiten, ist ein Modell, das nicht mehr funktioniert. Der Anreiz einer künftig übermäßig attraktiven Entlohnung, wenn „man es dann einmal in leitende Position geschafft hat“, ist entfallen und damit ein Großteil des kompetitiven Drucks. Heute schon wird mit guten Organisationsstrukturen, Einarbeitungs- und Fortbildungskonzepten um Nachwuchskräfte geworben. Doch noch ist die Frage unbeantwortet, was dem hierarchischen Führungssystem entgegen gesetzt wird. Viele Kliniken stehen ganz am Anfang, sich mit Fragen der Führungskräftequalifikation ihres medizinischen Personals auseinanderzusetzen. Unterschiedliche Führungskulturen in Kliniken tragen unterschiedlich dazu bei, in Zeiten der Veränderung nachhaltige Organisationsentwicklung zu erreichen. Eine aus unserer Sicht zentrale Führungskompetenz ist dabei die Empathie. Empathische Führung und der Kulturwandel hin zu einem teamorientierten Führungsansatz sind für Ruhl Consulting die wesentlichen Stellschauben für nachhaltig erfolgreiche Veränderungsprojekte unserer Kunden. Dies zu fördern fordert das nötige Fingerspitzengefühl des Beraters.
Zum dritten ist das integrierte Prozessmanagement und Auflösen von Denken in Abteilungs- und Berufsgrenzen eine Herausforderung. Im Rahmen der medizinischen Akutversorgung eines Patienten arbeiten unzählige Menschen Hand-in-Hand. Die Risikomanagementsysteme von Kliniken zeigen: Schon kleine Vorkommnisse oder Unabgestimmtheiten können sich zu Fehlern mit enormer Tragweite kumulieren. Wo Menschen arbeiten entstehen Fehler. Diese systematisch durch Klären von Verantwortlichkeiten in den Grauzonen und durch strukturierte Kommunikationsprozesse zu reduzieren, hat maßgebliche Auswirkungen auf die Qualität der medizinischen Versorgung. Wo Menschen sachorientiert und ungeachtet ihrer hierarchischen Stellung auf Augenhöhe miteinander arbeiten und kommunizieren, werden Fehler reduziert. Doch bis dahin ist in deutschen Kliniken noch ein weiter Weg zu gehen. Wenngleich es Positivbeispiele gibt, die belegen, dass ein mehr an Mitarbeiterorientierung die Grundlage für mehr Patientenorientierung ist.
Welche Ausbildung und welches Know-how brauchen Bewerber, um in der Klinikberatung Karriere zu machen?
Es ist ein weiter Weg dahin, Kliniken fundiert in der Organisationsentwicklung von der strategischen Konzeption bis zur prozessorientierten Umsetzung zu begleiten. Dieser fordert vor allem im systemischen Kontext eine stetige Neugierde und Lernbereitschaft des Beraters. Zunächst ist ein gutes Rüstzeug notwendig. An einer fundierten Ausbildung im Management von Organisationen geht kein Weg vorbei. Doch dem klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumentarium sollte in Punkto Wirksamkeit nicht blind vertraut werden. Organisationspsychologische Ansätze runden das betriebswirtschaftliche Hintergrundwissen idealerweise ab. Die Fähigkeit, unabhängig zu denken, dem eigenen Menschenverstand zu vertrauen, eigeninitiativ und konzeptionell arbeiten zu können, sind essentiell. Für den Einstieg in die Beratung ist es dann wichtig, das Handwerkszeug des Qualitäts- und des Projektmanagements in der praktischen Anwendung zu verfestigen, die eigenen Beobachtungs- und Moderationsfähigkeiten kontinuierlich zu erweitern und die nötige Feldkompetenz im Klinikbereich aufzubauen, soweit diese noch nicht vorhanden ist. Die eigene Belastbarkeitsgrenze wird immer wieder herausgefordert in einem Job, der mit einem hohen Maß an Reisetätigkeit sowie der fristgerechten Vor- und Nachbereitung von Kundenterminen verknüpft ist. Doch wer diese Belastungsprobe gemeistert hat, wird beginnen, die Vielfältigkeit des Jobs, die Vielzahl der Kontakte und die Zusammenarbeit mit hochinteressanten Persönlichkeiten des Klinikwesens als besonders privilegierte Arbeit schätzen zu wissen. Und vielleicht wird er so wie wir, die Ruhl Consulting AG, ein Sinn darin erkennen, ganz im Verborgenen einen Beitrag zu einer guten Patientenversorgung von morgen zu leisten.
Das FAZ-Interview stammt von Michael Jakob, stv. Chefredakteur FAZ-Institut.
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Interview mit Stefan Ruhl und Dr. Elke Eberts zu Voraussetzungen, Chancen und Herausforderungen für Berater im Krankenhaus. Ein spezifisches Beratungsfeld.
21.11.2012 – 16:27 Uhr
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