062. Da steh ich nun, ich armer Tor!

Da steh ich nun, ich armer Tor!

Faust: Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn'.

Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum -
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.


(aus Faust 1)

An diesen Ausspruch von Faust muss ich oft denken, wenn ich einen Schritt in den Dschungel aus Führungsliteratur, Erfolgsrezepten und Anleitungen unternehme. Ich denke zurück an meine ersten Tage als Führungskraft und die vergeblichen Versuche, Orientierung für mich zu finden und gutes Wissen aufzubauen. Ich sollte mit visionärer Strahlkraft nach vorne schreiten und mit großen Ziele führen, bestimmt auftreten, meine Mitarbeiter zum Blühen bringen, sie motivieren aber auch mal hart durchgreifen, wo nötig. Auf der einen Seite kollegial und der Kümmerer auf der anderen Seite klar Vorgesetzte. Ich sollte situativ führen – was auch immer das heißen mag. Bei all dem sollte mein Auftreten auf jeden Fall authentisch bleiben. Natürlich sollte ich nicht nur Führungskraft sondern auch Coach für meine Mitarbeiter sein. Nicht zu vergessen die betriebswirtschaftliche Erfolge, die ich realisieren musste oder die Tatsache, dass ich meine Abteilung innovativ in die Zukunft gerichtet aufzustellen hatte. Am Ende schwirrte mir der Kopf und ich wusste gar nicht mehr, was eine gute Führungskraft nun ausmacht.

Zwischenzeitlich weiß ich, dass ich zu Beginn meiner Karriere die vermeintlich falsche Frage nach dem „richtigen“ Verhalten gestellt habe. Eine viel bessere Frage wäre die nach einem für mich „stimmigen“ Führungsverhalten gewesen. Denn die eigentliche Aufgabe liegt darin, herauszufinden, welches Führungsverhalten dem eigenen Wesenskern am ehesten entspricht. Das ist sicherlich zu Beginn eines solchen Karriereschritts am wichtigsten, doch auch im Laufe der Zeit als Führungskraft ist eine Bestandsaufnahme und ggf. Anpassung in Bezug auf neue Lebensphasen entscheidend.

Wichtig ist es, in der Selbststeuerung herauszufinden, wo die eigenen Komfortzonen liegen. Bin ich also eher jemand, der auf kollegialer Ebene führt? Liegen mir die operativen Themen näher als die großen Visionen? Darauf aufbauend kann ich prüfen, in welchen Situationen meine ureigene Steuerung nicht ausreicht, es also Ergänzung braucht. In diesen Feldern kann ich abwägen, ob ich mich selbst auf den Entwicklungsweg begebe oder im Team Stellvertreter für die Rollen suche, die ich nicht besetzen kann. Um dieses Mosaik aus eigenen Stärken, Entwicklungsfeldern und delegierbaren Aufgaben klar zeichnen zu können, braucht es Selbstreflektion und auch den Mut, Lücken einzugestehen und entsprechend für Ergänzung zu sorgen. Ein guter Weg hierzu ist es, sich immer mal wieder einen professionellen Außenspiegel vorhalten zu lassen. Dazu kann man ein persönlichkeitsbezogenes Karrierecoaching nutzen oder sich Feedback von den eigenen Mitarbeitern und Kollegen einholen. Oder um mit Faust zu enden:

Dass ich erkenne,
was die Welt Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen

 

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Autor: Nicole Krüttgen
 – 16:05 Uhr

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