022. Managementteams - gemeinsame Verantwortungskultur
Managementteams - gemeinsame Verantwortungskultur
Im Krankenhaus stellt der situative Ansatz der emotionalen Führung (Goleman/Boyazis/McKee, 2002) gegenüber der gewohnten Tradition einen radikalen Wechsel des Führungsstils dar. Das erfordert eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Tatsächlich hat sich ja spätestens im letzten Jahrzehnt die Erkenntnis verbreitet, dass Meister des Beziehungsmanagements im professionellen Kontext langfristig gute Ergebnisse erwirtschaften. Diese Führungskräfte fördern Teamgeist und Visionen, schaffen ein kreatives Klima, können ihre Mitarbeiter für den Einsatz für eine Sache begeistern und e-MOTION-alisieren. Sie sind in der Lage, ihre eigenen Emotionen wahrzunehmen und konstruktiv zu steuern. Damit decken sie einen bedeutenden Aspekt von Führungsverantwortung ab. Denn Verantwortung darf im Führungskontext nicht nur bezogen auf die einzelnen Personen und ihre Funktionen betrachtet werden, sondern im systemischen Gesamtkontext (Schmid/Messmer, 2005). Ver-ANTWORT-ung ist keine einseitige Angelegenheit, sondern sie muss sowohl explizit übernommen als auch klar übergeben werden. Formalen Niederschlag findet die Führungsverantwortung im Organigramm. Übertragung von Verantwortung ist also mehr als Delegation; es ist ein Einschnitt in die bestehende Organisationsstruktur.
Verantwortungsklärung stellt bereits in der Linie einen komplexen Vorgang dar. Für die sorgfältige und wirksame Gestaltung der Beziehungen in einem Verantwortungssystem ist ein kontinuierlicher Dialog zum Thema Verantwortung, Ziele und Ergebnisse erforderlich. Nun ist ein Krankenhaus neben disziplinarischen Beziehungen durch das Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen geprägt. Zur Entwicklung einer Verantwortungskultur auf Station ist es daher erforderlich, die primär dort tätigen Berufsgruppen in der gemeinsamen Verantwortung für die Patientenversorgung zu koordinieren.
Eine über die Berufsgruppen koordinierte nachhaltige Übertragung von Managementverantwortung, z.B. auf Stationsebene, sollte so gestaltet werden, dass zunächst der Ärztliche Direktor/ Chefarzt und der Pflegedirektor/Pflegedienstleiter auf oberster Ebene gemeinsam abstimmen, wie die Verantwortungsübertragung berufsgruppenübergreifend gestaltet werden soll, was gemeinsame Verantwortung von pflegerischer Stationsleitung und organisationsverantwortlichem Oberarzt bedeuten und mit welcher Autorisierung die Verantwortungsübertragung verbunden ist. Wichtig ist dann zunächst, ein Managementteam auszuwählen, die mit seinen persönlichen Ressourcen in der Lage ist, die verbundenen Erwartungen zu erfüllen. Die Kommunikation der Legitimation an alle Betroffene und die klare Übergabe der „Verantwortungsstaffel“ sind zentrale Erfolgsfaktoren, die durch den jeweiligen Vorgesetzten auf den Weg gebracht werden müssen. Ab Zeitpunkt der Staffelübergabe ist die Verantwortung formell geklärt.
Für Vorgesetzten im traditionell-patriarchalischen Krankenhaussystem erfordert es Disziplin, sich darauf zu begrenzen, benötigte Entscheidungen herbeizuführen und sich sonst aus dem Arbeitsprozess herauszunehmen und der nächsten Führungsebene die „Staffel“ zu überlassen. Dies setzt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den nächsten Mitarbeitern und eine gute Kommunikation der eigenen Zielvorstellungen voraus, damit die Abteilung bzw. das Selbstverständnis der Berufsgruppe ganz im Sinne des Ärztlichen Direktors bzw. des Pflegedirektors weiterentwickelt wird. Den Mitarbeiter in seiner Vorgehensweise gewähren zu lassen und ihn an seinem Ergebnis zu bewerten bedeutet vielleicht, sich das ein oder andere Mal im Beisein Dritter auf die Zunge zu beißen. D. h. jedoch nicht, dass die nachgeordnete Führungskraft nicht im geschützten Raum gecoacht werden und durch gemeinsame Diskussion vom Erfahrungsschatz des Vorgesetzten profitieren sollte. Im ersten Moment fordert die Übergabe von Verantwortung viele intensive Abstimmungsgespräche zwischen Vorgesetztem und Managementverantwortlichem. Auf Dauer kann sich der Einsatz des Vorgesetzten mehr als auszahlen: z.B. durch den geschaffenen Freiraum, sich anderer strategischer Führungsaufgaben widmen zu können und eine verantwortliche Vertrauensperson an seiner Seite aufgebaut zu haben.
Alleine durch den kommunizierten Willen der Führungskraft, Verantwortung auf geeignet qualifizierte Personen zu übertragen und dies in der Organisationsstruktur zu manifestieren, wird Verantwortung noch nicht selbstverständlich übernommen. Der Wille, Verantwortung wahrzunehmen, hängt sehr stark vom Wertempfinden und zentralen Gestaltungsinteressen des Mitarbeiters sowie von seiner Selbstverpflichtung ab. Wenn die mit einer Funktion verbundene Verantwortung in einem System nicht wahrgenommen wird, entstehen leicht so genannte dysfunktionale symbiotische Beziehungen (Schiff et al., 1975). Diese sind kontraproduktiv, da kreative Potentiale nicht ausgeschöpft werden. Häufig äußern sie sich einer der folgenden Formen (nach Schmid/Messmer, 2005):
- Nichts-Tun, das von anderen informell kompensiert wird
- Nichtverantwortungsübernahme wird verdeckt, in dem Notstand demonstriert wird, warum es unmöglich war, der Verantwortung gerecht zu werden
- Agitation/ der Verantwortung ausweichen und in operativer Hektik vergraben
- Übernahme „falscher“ Verantwortung, da keine genaue Zielklärung stattgefunden hat
Der Mitarbeiter bzw. die Führungskraft auf der mittleren Ebene, der/die Bestandteil einer Verantwortungskultur sein möchte, kann selbst einen entscheidenden Beitrag leisten und solche dysfunktionale Symbiosen nicht respektieren. Stattdessen sollte sie ein loyales konstruktives Verhältnis zum unmittelbaren Vorgesetzten aufzubauen und so gemeinsam in die Verantwortung im eigenen Zuständigkeitsbereich hineinwachsen.
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Im PDCA Managementkreis kommt das Wesen von Management und Führung als Daueraufgabe zum Ausdruck.
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