087. Organizational Character Index

Organizational Character Index OCI

Kultur ist die Persönlichkeit der Organisation. Der Organizational Character Index OCI gibt Aufschluss über den inneren Character der Organization.

Angenommen, die Organisation, in der Sie arbeiten, wäre eine Person. Wie wäre diese Person? Wäre sie schüchtern oder eher forsch? Wäre sie eiskalt oder eher emotional? Wäre sie gut strukturiert und organisiert oder eher ein zerstreuter Professor? Wäre sie ein guter Beobachter und Analytiker oder würde sie sich eher auf Erfahrung und Intuition verlassen?

Für die Organisationsanalyse wurde eine Methode entwickelt, die diese etwas ungewöhnlichen Fragen auf wissenschaftlich fundierte Weise beantwortet und damit neue Perspektiven für die Organisationsentwicklung auch im Krankenhaus bzw. für Fachabteilungen im Krankenhaus aufzeigt. Im Folgenden wollen wir Ihnen diese Methode – den Organizational Character Index (OCI) von Williams Bridges – vorstellen.

Was ist der OCI?

Im Rahmen einer Organisationsentwicklung stellt häufig die Analyse der Ist-Situation den Anfangspunkt dar.

Der Organisation, beispielsweise einer Fachabteilung oder einer bestimmten Funktionseinheit ist zwar bewusst, dass irgendetwas nicht stimmt. Beispielsweise ist die Stimmung innerhalb der Organisation schlecht, es kommt häufig zu Konflikten mit anderen Organisationseinheiten oder Patienten- oder Einweiserbeschwerden häufen sich. Dennoch haben die Mitarbeiter innerhalb der Organisation meist nur eine diffuse Ahnung, was die Ursachen für die bestehenden Probleme sind.

Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Mitarbeiter ihre eigene Organisation nur unzureichend beschreiben können. Noch schwieriger ist es, über individuelle Einzelmeinungen und qualitative Beschreibungen hinausgehende, auch quantitativ belastbare Analysen über den Ist-Zustand einer Organisation zu erstellen.

Genau an dieser Stelle setzt der sogenannte "Organizational Character Index" an, kurz OCI, auf Deutsch in etwa als "Charakterindex für Organisationen" übersetzbar [1].

Der OCI wurde von William Bridges in seinem Buch "The Character of Organizations" entwickelt und nutzt ähnliche Methoden wie der Myers-Briggs-Test. Während der Myers-Briggs-Test spezifisch für Einzelpersonen entwickelt wurde, erweitert der OCI die zugrundeliegenden, auf C.G. Jung basierenden Prinzipien auf ganze Organisationen, also größere Gruppen von Personen.

Wie funktioniert der OCI?

Der OCI ist im Wesentlichen ein Fragebogen aus 36 Einzelfragen, die alle bzw. eine relevante Stichprobe aller Mitarbeiter einer Organisation ausfüllen. Für das Ausfüllen des Fragebogens sind nicht mehr als 20 Minuten nötig.

Die einzelnen Fragen beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte der Organisation, etwa die Frage, wie Entscheidungen getroffen werden, oder ob sich die Organisation eher strikt an Regeln hält oder eher flexibel agiert.

Zu jeder Frage werden zwei mögliche Antworten gegeben, zwischen denen die Mitarbeiter einen Wert von 1 bis 4 angeben können. Dabei bedeutet z.B. der Wert 1 = starke Antwort A, der Wert 2 = eher Antwort A, der Wert 3 = eher Antwort B und der Wert 4 = starke Antwort B.

Für die Auswertung des Fragebogens werden die Werte jeweils für einzelne Fragegruppen addiert. Die einzelnen Fragegruppen stehen dabei für gegensätzliche Ausprägungen von vier unterschiedlichen Neigungen:

  • Extraversion – Introversion
  • Wahrnehmung – Intuition
  • Denken – Fühlen
  • Struktur – Flexibilität

Jede Organisation lässt sich durch eine Kombination dieser Neigungen charakterisieren, es sind insgesamt 16 unterschiedliche Ausprägungen möglich. Durch die Angabe von Zahlenwerten zu den einzelnen Fragen lässt sich zudem eine Abstufung der einzelnen Ausprägungen darstellen. So kann eine Organisation z.B. sehr introvertiert, vielleicht aber auch nahezu gleich extra- wie introvertiert sein.

Um das Gesamtbild der Organisation zu erhalten, werden die Angaben der einzelnen Mitarbeiter gemittelt. Durch Betrachtung einzelner Untergruppen von Mitarbeitern lassen sich auch unterschiedliche Sichtweisen einzelner Bereiche innerhalb derselben Organisation sichtbar machen. So ist es nicht unüblich, dass in einem Industrieunternehmen Mitarbeiter der Personalabteilung eine deutlich andere Sichtweise auf ihre Organisation haben als Mitarbeiter in der Forschungsabteilung.

Was bringt der OCI?

Der OCI ist eine Art Spiegel, der es einer Organisation erlaubt, neue Erkenntnisse über charakteristische Verhaltensweisen und Denkstrukturen innerhalb der Organisation und im Zusammenwirken mit der Außenwelt und den Märkten zu gewinnen.

Ganz wichtig ist, dass keine bestimmte Kombination der vier Neigungen per se gut oder schlecht ist. Jede der 16 Ausprägungsformen hat spezifische Stärken und spezifische Schwächen, die in einer bestimmten Situation förderlich oder schädlich sein können. William Bridges gibt zu jeder der Ausprägungsformen typische Aussagen oder Handlungsmuster der jeweiligen Organisationen an, um die rein quantitativen Ergebnisse plastischer greifbar zu machen.

Meist reicht die Reaktion der Mitarbeiter bei der Präsentation der Auswertungsergebnisse einer OCI-Erhebung von Erstaunen und Freude über die Treffgenauigkeit der Analyse bis hin zu Bestürzung über die Tatsache, dass bestimmte Probleme oder Schwachstellen der Organisation so deutlich zutage treten.

Diese Erkenntnis über die eigenen Stärken und Schwächen innerhalb der Organisation, insbesondere im Zusammenspiel mit den inneren und äußeren Einflussfaktoren, die auf die Organisation einwirken, ist jedoch in jedem Fall der ideale Ausgangspunkt, um Ansätze für eine Organisationsentwicklung zu erarbeiten. Ziel soll es sein, den Reifungsprozess der Organisation zu fördern.

Konkrete Ansatzpunkte

Es zeigt sich, dass Organisationen dazu neigen, die jeweils unterausgeprägten Aspekte ihrer "Persönlichkeit" zu vernachlässigen. So werden Mitarbeiter, denen Struktur und Organisation sehr wichtig sind, in einem sehr flexiblen Unternehmen häufig keinen leichten Stand haben. Die Mehrzahl der Mitarbeiter und Vorgesetzten werden durch Regeln und klare Strukturen eine Einschränkung ihrer Freiheit und Kreativität befürchten.

Es sind jedoch gerade diejenigen Organisationen besonders erfolgreich, die gelernt haben, unabhängig von ihren durchaus starken Ausprägungen in einzelnen Neigungsbereichen auch die jeweils andere Ausprägung zu schätzen und zu respektieren. Die Erkenntnis, dass sich unterschiedliche Stärken gegenseitig ergänzen und die jeweiligen Schwächen ausgleichen können, führt zu einem wertschätzenderen Umgang auch mit Mitarbeitern, die nicht dem "Mainstream" entsprechen.

Veränderung in Organisationen lässt sich denn auch besonders einfach durch zwei Maßnahmen erreichen. Erstens orientieren sich Mitarbeiter einer Organisation meist an ihrer Führungskraft. Setzt bei der Führungskraft ein Umdenken ein, lässt sich auch im Verhalten und in der Zusammenarbeit der Mitarbeiter ein Veränderungsprozess in Gang setzen. Zweitens kann eine Personalpolitik, die auf einen optimalen Qualifikationsmix achtet und bei Einstellungsentscheidungen auch gezielt die identifizierten Schwachstellen der Organisation im Blick behält, maßgeblich zur Reifung einer Organisation beitragen.

Welchen Charakter hat Ruhl Consulting?

Selbstverständlich haben wir auch für unsere eigene Organisation eine OCI-Analyse durchgeführt. Hier sehen Sie die Ergebnisse.

  • Wir interessieren uns für die Bedürfnisse unserer Kunden, entwickeln aber auch eigenständig neue Ideen und Konzepte, für die wir unsere Kunden begeistern wollen
  • Wir beschäftigen uns mit neuen Möglichkeiten und bewahren das große Ganze im Blick
  • Wir richten uns nach sozialen Werten und Grundsätzen – der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt
  • Wir richten uns flexibel nach den Bedürfnissen des Kunden und beziehen aktuelle Entwicklungen und individuelle Bedürfnisse in die Projektarbeit ein

Die internen Schwächen, die uns die OCI-Analyse ebenfalls aufgezeigt hat, behalten wir an dieser Stelle für uns. Wir versichern Ihnen allerdings, dass wir eine Reihe wertvoller Ansatzpunkte identifiziert haben, die wir bereits in konkreten Verbesserungsprojekten bearbeiten.

Quelle:
[1] Die folgenden Ausführungen beruhen maßgeblich auf: Bridges, William (1998): Der Charakter von Organisationen: Organisationsentwicklung aus typologischer Sicht. Göttingen, Hogrefe-Verlag. 

 

Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Kultur ist die Persönlichkeit der Organisation. Der Organizational Charakter Index OCI gibt Aufschluss über den inneren Character der Organization.

 

 

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