031. Geordnete Aufnahme- und Entlassprozesse
Geordnete Aufnahme- und Entlassprozesse
Wie funktionieren die Aufnahme- und Entlassprozese? Beobachten Sie den Prozessfluss am Bahnhof: Der Zug fährt ein. Viele Menschen möchten aus- und einsteigen. Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Bahnhof, der Zug fährt ein. Zahlreiche Menschen möchten aus-, andere hingegen in den Zug einsteigen. Wie geht dies vor sich? Beim Einsteigen in den Bus oder Zug ist es wie selbstverständlich üblich, zunächst den aussteigenden Fahrgästen den Vortritt zu lassen und erst anschließend dem Fahrzeug zuzusteigen. Die Reihenfolge leuchtet ein: Mit diesem Vorgehen vermeiden alle Beteiligten das heillose Durcheinander, das sich ergeben würde, wenn sich alle Passagiere gleichzeitig hinein- bzw. hinausbewegen wollten. Wer sollte davon profitieren? Letztlich stiege durch ein solch unkoordiniertes Verhalten der Fahrgäste auch die Gefahr, dass der eine oder andere Schaden nimmt.
Synchronisiertes Aufnahme- und Entlassungsmanagement
Worauf zielt diese Analogie ab? Denken wir an zwei der entscheidenden Kernprozesse im Krankenhaus: die Aufnahme und die Entlassung. Jeden der beiden Prozesse für sich optimal auszurichten stellt Krankenhäuser bereits vor eine Herausforderung. Doch wie sollten die beiden Prozesse idealerweise aufeinander abgestimmt sein, um das Prozessgefüge anforderungsgerecht zu gestalten? Die Antwort liegt – nicht zuletzt, wenn wir an die Analogie des Ein- und Aussteigens zurückdenken – in der stringenten zeitlichen Trennung der Entlassung auf der einen und der Aufnahme auf der anderen Seite. Im Krankenhaus nun ist der Engpass bei sich überschneidenden Aufnahmen und Entlassungen im Unterschied zum Bahnhofsbeispiel selbstverständlich nicht die Tür, und auch nicht der enge Gang. Im übertragenen Sinne finden sich die begrenzten Kapazitäten hier vielmehr in den räumlichen und zeitlichen Ressourcen.
Teilen sich beispielsweise auf einer für 30 Patienten ausgelegten Station 29 Patienten die 4 Pflegekräfte im Frühdienst, kann davon ausgegangen werden, dass jeder Patient die notwendige Zuwendung erfährt. Was aber, wenn die anwesenden 4 Pflegekräfte und der Stationsarzt anstelle der 29-30 z.B. 38 Patienten versorgen müssen, da neben den 8 Patienten, die es noch zu entlassen gilt, bereits 8 neu aufgenommene Patienten mit ihren Bedürfnissen und Anliegen warten? Wohin überhaupt mit den aufgenommenen Patienten, für die noch kein Bett zur Verfügung steht? Ein Bett auf dem Gang ist sicher nicht die Optimallösung. Für nicht bettlägerige Patienten finden sich daher auf vielen Stationen Aufenthalts- bzw. Warteecken, die heute zumeist auch dem Zweck dienen, neu aufgenommenen Patienten einen Raum zu bieten, sollte ihr Bett nicht rechtzeitig zur Aufnahme zur Verfügung stehen. Doch ob Flur oder Sitzecke – sind die Entlassungen bis zum Erscheinen der Aufnahmepatienten nicht abgeschlossen, drohen Hektik und Unruhe, dem Personal Überforderung und – im schlimmsten Fall – dem einzelnen Patienten eine Unterversorgung.
Was wäre nun also, wenn – ähnlich dem Prozess an der Bushaltestelle oder am Hauptbahnhof – Entlassungen und Aufnahmen im Krankenhaus soweit aufeinander abgestimmt werden könnten, dass die parallele Versorgung von Aufnahme- und Entlasspatienten auf der Station grundsätzlich vermieden wird?
Mehr Organisation, weniger Improvisation
Unsere Erfahrung aus zahlreichen Reorganisationsprojekten mit dem Ansatz auf der Station, welche fokussiert genau dieses Ziel verfolgen, zeigt die Folgen der Einrichtung fester, sich nicht überlappender Zeitfenster für die Entlassung und die Aufnahme auf: Auf der einen Seite zeigen sich Patienten zufrieden mit einer deutlich verringerten Wartezeit auf ihr Bett – wenn sie schon zu einer bestimmten Uhrzeit einbestellt sind, erwarten die Patienten zu Recht, dass die Klinik mit ihrem Eintreffen rechnet und die Aufnahme rechtzeitig organisiert hat. Auf der anderen Seite profitieren die Mitarbeiter von deutlich mehr Ruhe auf der Station und einer spürbaren Entlastung. Auch ermöglicht das Vorgehen Mitarbeitern, ihre Tätigkeiten in sinnvoll zusammenhängende Blöcke zu gliedern und nicht mehrfach täglich mit dem gleichen Prozess, zum Beispiel der Entlassung, wieder zu beginnen.
Stolpersteine
Soweit die Theorie auch sicher jedem Leser einleuchtet, so vielfältig sind unserer Erfahrung nach auch die „Stolpersteine“, denen sich Mitarbeiter in der Praxis gegenüber sehen: die berufstätigen Angehörigen, denen es viel besser passe, den Entlasspatienten in der Mittagspause oder nach Feierabend abzuholen; der Transportdienst, der nicht rechtzeitig erscheine, und die Patienten selbst, welche den Anspruch auf ein weiteres Mittagessen erhöben, sind nur einige Beispiele. Dabei lohnt bereits der – wohlgemerkt konsequent herbeigeführte – Versuch. So darf durchaus ein zunächst – aus der „alten Warte“ heraus – ehrgeizig erscheinendes Ziel definiert werden, z.B. der Abschluss der Entlassungen bis 9 oder 10 Uhr. Anschließend hilft es, Hindernissen prospektiv vorzugreifen: Welche Hindernisse können Sie konkretisieren, die der Umsetzung auf der betreffenden Station im Wege stehen könnten? Seien Sie gespannt auf die Lösungsansätze, die Sie auch bei Einbinden Ihrer Mitarbeiter identifizieren können! Manche Lösungen, lassen sind gar nicht so komplex: So kann etwa dem Patienten, der auf sein Mittagessen pocht, ein Bon für eine Mahlzeit in der Cafeteria ausgehändigt werden. Oder es wird darauf hingewirkt, dass der Transportdienst stets bereits am Vortag der Entlassung unter Angabe einer Uhrzeit bestellt wird. Und die Angehörigen? Selbst Angehörige sind manchmal gar nicht so schlecht organisiert, wenn sie sich denn rechtzeitig auf den Entlasstermin einstellen können. Für komplexere Fragestellung, wie die Organisation der Arztbriefschreibung, lassen sich in gemeinsamen Arbeitsgruppen Lösungen erarbeiten.
Wie so häufig im Leben ist auch hier das A und O die Kommunikation. Daher abschließend ein letzter Tipp: Informieren Sie Patienten und Angehörige rechtzeitig über die veranschlagte Entlassuhrzeit! Informationsbroschüren zur Station oder Aushänge sind nützlich, ersetzen jedoch nicht die persönliche Information des Patienten und der Angehörigen durch die Pflegekraft und selbstverständlich auch den Arzt, der ja mit der Visite das entscheidende Instrument zur Entlassplanung anführt. Und klappt die Entlassung bis zum definierten Zeitpunkt im einen oder anderen Fall doch nicht rechtzeitig, kann noch immer individuell überlegt werden: Muss es tatsächlich der Aufnahmepatient sein, der in der Sitzecke auf sein Bett wartet, oder kann nicht – sofern medizinisch vertretbar – der „verspätete“ Entlasspatient diesen Platz einnehmen und somit sein Bett räumen für den, der es bedürftiger braucht?
Wenn Sie sich weiter mit der systematischen Prozessorganisation auf Station auseinander setzen wollen, dann könnte unser Seminarangebot zum Stationsmanagement für Sie interessant sein
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Wie funktionieren die Aufnahme- und Entlassprozesse? Beobachten Sie den Prozessfluss am Bahnhof: Der Zug fährt ein. Viele Menschen möchten aus- und einsteigen.
17.03.2011 – 10:08 Uhr
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