153. Einstieg in die Umsetzungsbegleitung von Projekten
Einstieg in die Umsetzungsbegleitung von Projekten
Als Berater von Führungskräften in Kliniken übernehmen wir Interimsmanagement- und Projektarbeit. Das Veränderungsanliegen definiert den Projektauftrag.
Darf ich Sie heute mit zu einem Ausflug in meinen Projektalltag mitnehmen? Dann begleiten Sie mich in ein Erstgespräch mit der verantwortlichen Führungskraft eines wichtigen Bereiches: Als Beraterin höre ich zu Beginn einer Zusammenarbeit – häufig in Auftragsklärungsgesprächen mit den Betroffenen – bei lösungsorientierten auf die Zukunft gerichteten Fragen das ein oder andere Mal den Satz: „Wie wir das künftig machen, dafür sind Sie doch da, das sollen Sie uns sagen!“. Noch spannender wird es, wenn im nächsten Satz hinterhergeschoben wird: „Bei uns läuft doch alles prima, hier soll alles einfach so weiterlaufen.“ Never change a winning team. Selbst „objektive“ Schieflagen werden ausgeblendet.
Sicherlich für Sie als stillen Beobachter kein begeisterndes Projektauftaktgespräch, wäre es doch weitaus kreativer und inspirierender frei zu spinnen und effizienter, direkt in die Lösungsdiskussion einzusteigen?
Tatsächlich ist diese kurze Episode für unsere Beratung eine wichtige Schlüsselszene.
(1.) „Sag du mir, wie es geht“
An diese Stelle mag der „klassische Fachberater“, der mit einem 08/15-Konzept beauftragt ist und nicht mit einem Umsetzungskonzept für die Organisation, gar nicht kommen, da er das Anliegen des Nutzers auf der anderen Seite nicht auf dem Radar hat – er hat einen Auftraggeber, eine Problemlösung und fertig. Die systemische Erarbeitung eines Lösungskonzeptes mit der Organisation statt über ihre Leistungsträger hinweg ist gerade in Wirtschaftlichkeitsprojekten nach unserer Erfahrung bis heute nicht das, was - selbst beratungserfahrenere - Kliniken von einem Berater erwarten. Auch wenn die nachhaltige Lösungsqualität eine ganz andere ist - die Integration der Betroffenen kostet Zeit und Ressourcen. Diese Investition sind noch nicht alle Auftraggeber bereit zu tätigen. Dann wird lieber auf ein Projekt verzichtet und mit klaren Vorgaben gearbeitet. Möglicherweise hat der Auftraggeber tatsächlich auf strategischer Ebene größere Veränderungsziele als die Betroffenen es sich aus dem heutigen Alltag heraus vorstellen können? Eine Garantie, dass sich jeder an einem Geben und Nehmen beteiligt und den Weg der Veränderung mitgestaltet, gibt es tatsächlich nicht. Umso wichtiger aber, dass der Gestaltungsrahmen für die betroffenen Leistungsträger spätestens mit Abschluss der Auftragsklärung und Projektinitiierung geklärt ist und die Teilprojektziele als gemeinsame Schnittmenge definiert sind. Die Skala der Einflussmöglichkeiten ist breit zwischen 0% und 100%. Frei nach dem Pareto-Prinzip halten wir je nach Projekt bis 80% für einen ziemlich effizienten Weg …
(2.) „Bei mir läuft alles prima. Alles soll so bleiben wie es ist.“
Der Empfänger einer Nachricht, wie hier der Berater in seiner Dienstleisterrolle, versucht die Botschaft des Betroffenen einzuordnen, das Problem zu analysieren und eine mögliche Lösung zu entwickeln. Anderen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist eine oft genutzte Strategie, sich mit Menschen verbunden zu erleben, unterstützen zu können, sich selber als wirksam zu erleben, dem Gegenüber zu zeigen, dass er mir wichtig ist. Davon ist auch der Berater als Person sicherlich nicht frei. Dabei wird vorausgesetzt, dass ein Anliegen vorhanden und Rat gefragt ist, ohne sich zu vergewissern, ob der andere überhaupt darum bittet, einen Rat zu bekommen. Bei allen Lösungen, Ideen und kreativen Ratschlägen ist der Mensch schnell mit dem Kopf unterwegs. Was dabei meist zu kurz kommt, ist zuerst das Spüren und Einfühlen in das Gegenüber. Was geht bei dem Anderen in dem Moment vor, wo er davon berichtet und was braucht er gerade? Weshalb erzählt er das? Welche implizite Bitte hat dieser Mensch an mich? Hier steht uns das wertvolle Instrumentarium der gewaltfreien Kommunikation von M. Rosenberg zur Verfügung (vgl. Rosenberg 2012) und deren Übertragung auf den Kontext der professionellen Beratung von Organisationen (vgl. Miyashiro 2013), ohne dies hier weiter zu vertiefen.
Dem Sender ist oft selbst nicht bewusst, weshalb er etwas erzählt. Worum geht es ihm dabei? Weshalb sagen wir das, was wir gerade sagen und wie können die anderen darauf reagieren? Was würde uns gerade gut tun? Das Verdecken von blinden Flecken ist nicht nur eine Selbstverteidigung der bisherigen Leistung, ein Abschotten nach außen, sondern es schützt nicht zuletzt vor dem Schmerz, der im Auseinanderfallen von Selbst- und Fremdbild liegt. Für den Berater macht eine systemische Herangehensweise zu dem Zeitpunkt noch keinen Sinn, wenn das Gegenüber noch nicht für die Veränderung aufgeschlossen und an Integration interessiert ist. Was hier ansteht, ist zunächst, mit Empathie für das Gegenüber dessen Motivatoren zu entschlüsseln. Dies fordert eine gegenseitige Vertrauensbasis, die sich jedoch nicht ad hoc verordnen lässt. Wenn es gelingt, in die gewaltfreie Kommunikation einzusteigen, wird es ggf. möglich, eine echte intrinsische Motivation für das Projekt zu benennen. Und dann ist es anschließend möglich, die Rolle des Gegenübers im Projekt gemeinsam zu klären.
(3.) Direkter Einstieg in die Lösungsdiskussion?
Im Erstgespräch geht es darum, aktiv zuhören, ein Gefühl für das Gegenüber und die Organisation zu gewinnen. Worin liegt das Problem? Wo liegt das Ziel? Warum war es bislang nicht möglich, den gewünschten Zustand zu erreichen? Welche zentralen Stolpersteine wären dafür aus dem Weg zu räumen? Sichtweisen und Organisationszusammenhänge zu verstehen? Punktuell Ideen zu setzen und sie anschließend in der Organisation keimen zu lassen? Etc.
Die Schlüsselszene ist eine wichtige Information über die Organisation und das Problem an sich und darf vom Berater durch einen schnellen Einstieg in die Lösungsdiskussion keinesfalls übersehen werden. Der Einstieg in die Lösungsdiskussion, so spannend er auch ist, hat im Projektstadium der Auftragsklärung, Informationssammlung und Projektinitiierung noch nichts zu suchen. Warum? Der Projektauftrag beinhaltet, groß zu denken, den Aktionsradius in der Analysephase auf allen Ebenen offen zu halten und so wirklich große Veränderungen in der künftigen Zusammenarbeit möglich zu machen. Wenn die ein oder andere Führungskraft tatsächlich für Beratung nicht offen ist, dann gilt für mich: lieber Empathie und keine Beratung als unempathische Beratung auf schiefer Augenhöhe! Tatsächlich habe ich es nur sehr selten erlebt, dass ich keine Ebene zu einem vorgesehenen Projektbeteiligten finden konnte. Manchmal braucht es einfach nur seine Zeit …
Literatur
M. Rosenberg (2012): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann.
Melanie Sears (2012): Gewaltfreie Kommunikation im Gesundheitswesen. Junfermann.
Marie R. Miyashiro (2013): Der Faktor Empathie: Ein Wettbewerbsvorteil für Teams und Organisationen. Junfermann.
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Eine Möglichkeit der Ausgestaltung der Strategieklausur ist das Format der Zukunftswerkstatt.
06.06.2014 – 12:27 Uhr
Sie haben keine Berechtigung, einen Kommentar zu hinterlassen.
News Blog und Newsletter der Ruhl Consulting
Ab 7/2016 veröffentlichen wir unseren Blog und unsere Newsletter zweimonatlich auf www.krankenhausberater.de. Info-Archive verbleiben unter www.ruhl-consulting.de.
Blogarchiv
187 186 185 184 183 182 181 180 179 178 177 176 175 174 173 172 171 170 169 168 167 166 165 164 163 162 161 160 159 158 157 156 155 154 153 152 151 150 149 148 147 146 145 144 143 142 141 140 139 138 137 136 135 134 133 132 131 130 129 128 127 126 125 124 123 122 121 120 119 118 117 116 115 114 113 112 111 110 109 108 107 106 105 104 103 102 101 100 099 098 097 096 095 094 093 092 091 090 089 088 087 086 085 084 083 082 081 080 079 078 077 076 075 074 073 072 071 070 069 068 067 066 065 064 063 062 061 060 059 058 057 056 055 054 053 052 051 050 049 048 047 046 045 044 043 042 041 040 039 038 037 036 035 034 033 032 031 030 029 028 027 026 025 024 023 022 021 020 019 018 017 016 015 014 013 012 011 010 009 008 007 006 005 004 003 002 001
Newsletter-Archiv
Alle Newsletter bis 3-2016 | Bücherliste
03-2016 02-2016 01-2016 06-2015
05-2015 04-2015 03-2015 02-2015
01-2015 12-2014 11-2014 10-2014
09-2014 08-2014 07-2014 06-2014
05-2014 04-2014 03-2014 02-2014
01-2014 12-2013 11-2013 10-2013
09-2013 08-2013 07-2013 06-2013
05-2013 04-2013 03-2013 02-2013
01-2013 12-2012 11-2012 10-2012
09-2012 08-2012 07-2012 06-2012
05-2012 04-2012 03-2012 02-2012
01-2012 06-2011 05-2011 04-2011
03-2011 02-2011 01-2011 06-2010
05-2010 04-2010 03-2009 02-2009
01-2008