067. Empathie als Basis transformationaler Führungskultur
Empathie als Basis transformationaler Führungskultur
Bei einigen Managern immer noch belächelt, avancierte Empathie in der zunehmend monetär ausgerichteten Krankenhaus-Welt zum Führungsinstrument. Zahlreiche Studien belegen: Mitarbeiter sind unter empathischer Führung durchaus engagiert, verantwortungsbewusst und selbstständig. Ein sozial kompetenter Vorgesetzter sorgt nicht nur für ein gutes Betriebs- und Teamklima, sondern insbesondere auch für das notwendige Wachstum. Somit gehört Empathie zu den relevanten Anforderungen, die man heutzutage an eine gute Führungskraft stellt.
Führung ist ein weiter Begriff und wird begleitet von einer steigenden Zahl an Fachliteratur, fortwährend neuen Führungsansätzen und einer Fülle von Instrumenten. Vieles davon erinnert an das bekannte Sufi-Gleichnis von den sechs Blinden, die versuchen einen Elefanten zu beschreiben: Der eine, der den Rüssel anfasst, sagt: Ein Elefant ist ein langer Schlauch“. Ein anderer, der ein Ohr berührt, sagt: “Ein Elefant ist ein großes, weiches Tuch“. Ein dritter umfasst ein Bein und meint: “Ein Elefant ist eine feste Säule“[6] usw. Und so hat jeder Recht in seiner Wahrnehmung – doch um den Elefanten in seiner Gänze zu erfassen, sind die Betrachtungen nur bedingt hilfreich.
Blickt man dem Elefanten ins Herz, stellt sich die Frage, welche Anforderungen eine solche Führungskultur an Chefärzte stellt. Wesentliche Werkzeuge hierbei sind Empathie und Resonanz. Im Kern einer motivierenden Führungskultur ist Führung darauf ausgelegt, positive Resonanz zu erzeugen. Führungskräfte werden oft mit Bildern und Methapern von stolzen Kapitänen beschrieben, die ihr Schiff durch die Gewässer manövrieren. Hier ein kleiner Schlenker nach rechts, da eine Kurskorrektur nach links und schon ist der Eisberg umschifft und der Dampfer steuert in ruhigen Gewässern. Das Problem dabei ist: dieses Bild ist falsch [6]. Führungskräfte führen keine Maschinen bei denen es reicht, Knöpfe zu drücken oder Hebel zu ziehen, sondern Menschen und Organisationen. Beides sind lebende Systeme. Heinz von Förster, Physiker und Mitbegründer der kybernetischen Wissenschaft, hat die Unterscheidung zwischen trivialen und nicht-trivialen Maschinen getroffen [2]. Triviale Maschinen zeichnen sich dadurch aus, dass sie bei einem Input A immer den Output B liefern. Nicht-triviale Maschinen dagegen unterliegen inneren Zustandsveränderungen. Input A kann, muss aber nicht zu Output B führen. Menschen sind diesbezüglich wie nicht-triviale Maschinen. Oft agieren Führungskräfte, als wären Mitarbeiter triviale Maschinen, um die Zusammenarbeit zu erleichtern. Doch lebende Systeme weisen ein paar Eigenheiten auf, die Führung zu einer Herausforderung machen: Sie sind eigensinnig, reagieren unerwartet und folgen ihrer eigenen Logik. Wie kann es trotzdem gelingen, positive Resonanz zu erzeugen? Das Konzept der Empathischen Führung zeigt hierfür einen Weg. Der Begriff “Empathie” lässt sich mit “Einfühlungsvermögen” übersetzen. Anderen Quellen zufolge hat der deutsche Philosoph Rudolf Hermann Lotze 1848 dieses Wort erstmals benutzt und orientierte sich dabei am griechischen Wort „empatheia“ = Leidenschaft [5]. Beide Wurzeln lassen sich in der Emphatischen Führung wiederfinden und bezeichnen die Fähigkeit, sich in die Gedanken und Gefühle von anderen hineinzuversetzen. Dabei geht es nicht darum, aus der eigenen rationalen, objektiven Perspektive zu werten, sondern die Welt mit den Augen des Mitarbeiters zu sehen und nachzuvollziehen, was ihn zu bestimmten Handlungen oder Meinungen bewegt. Der Vorgesetzte kann Gefühle wahrnehmen und emotionale Reaktionen verstehen, mit Differenzen umgehen und trotz Interessengegensätzen die Position des Mitarbeiters ernst nehmen. Damit gelingt es der Führungskraft, den Mitarbeiter entsprechend zu motivieren, zu fördern und auch zu fordern. So lernt die Führungskraft sich und andere in Stresssituationen besser zu verstehen und im Konfliktfall umsichtiger zu reagieren.
Empathische oder resonante Führungskräfte vermögen es, Gefühle in ihrem Team zu entschlüsseln. Sie stellen sich auf die eigenen Gefühle und die ihrer Mitarbeiter ein, greifen somit die „inneren Zustandsveränderungen“ auf, und lenken sie gemeinsam in eine positive Richtung. Dabei hilft aus neurobiologischer Sicht das Phänomen der Spiegelung [1]. Meistens ist es schon passiert, bevor man bewusst darüber nachdenken konnten: unwillkürlich hat man ein charmantes Lächeln erwidert und die eigenen Stimmung hat sich etwas aufgehellt. Der Alltag ist voll von spontanen Resonanzphänomenen dieser Art. Das System der Spiegelneuronen ist das neurobiologische Format, das die Austausch- und Resonanzvorgänge möglich macht. Diese Nervenzellen des Gehirns können Vorgänge wie Handlungen oder Empfindungen steuern, gleichzeitig jedoch auch aktiv werden, wenn der gleiche Vorgang bei einer anderen Person nur beobachtet wird. Ihre Resonanz setzt spontan, unwillkürlich und unterbewusst ein. Die Spiegelneuronen nutzen sozusagen das neurobiologisches Inventar, um Menschen in einer Art Simulation spüren zu lassen, was sie an dem anderen beobachten. Diese Simulation bahnt auch die Handlungsbereitschaft. Das System der Spiegelneuronen bringt es mit sich, dass andere Menschen unsere Physiologie verändern können – und damit auch unsere Emotionen. Forscher konnten immer wieder beobachten, wie sich Emotionen unwiderstehlich ausbreiten, wenn Menschen zusammen kommen, selbst wenn der Kontakt ausschließlich nonverbal ist. Wenn z.B. drei Fremde einander ein oder zwei Minuten lang schweigend gegenübersitzen, überträgt derjenige, der emotional am expressivsten ist, seine Stimmung auf die beiden anderen. Ohne auch nur ein Wort zu sagen [3].
Emotionen und Stimmungen haben somit Einfluss auf das Gegenüber. Eine Tatsache, die sich die empathische Führung zu Nutze macht. Lange Zeit galt der Ausspruch „Gefühle haben im Arbeitsalltag nichts zu suchen“. Doch gerade Emotionen und der resonante Umgang mit ihnen stellen eine große Energiequelle für Veränderungsprozesse [4] und eine motivierende, lebendige Führungskultur dar.
Quellen:
[1] Bauer J (2006) Warum ich fühle, was Du fühlst, Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneuronen, 10. Auflage, Wilhelm Heyne Verlag, München: 7-56.
[2] Foerster H (1997) Wissen und Gewissen. Versuch einer Brücke. Festschrift mit den wichtigsten Aufsätzen, hrsg. Von Schmidt S J, Frankfurt a.M.: 357 ff.
[3] Goleman D. Boyazis R. McKee A (2002) Emotionale Führung. Econ Verlag, München: 22-27, 79-121.
[4] Heitger B, Doujak A (2002) Harte Schnitte, neues Wachstum: Die Logik der Gefühle und die Macht der Zahlen im Changemanagement, Redline Wirtschaft bei Ueberreuter, Frankfurt/ Wien: 115-126.
[5] de.wikipedia.org/wiki/Empathie [6] Seliger R (2008) Das Dschungelbuch der Führung – ein Navigationssystem für Führungskräfte. Carl-Auer Verlag, Heidelberg: 31, 18 ff.
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Das Menschenbild in der Philosophie des Management des 21. Jahrhunderts wandelt sich. Doch noch immer wird es von einigen Managern alter Schule belächelt.
07.05.2012 – 06:02 Uhr
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