048. Klinische Behandlungspfade

Klinische Behandlungspfade

Die Vorgabe „Pfade einführen“ – am besten nach dem Motto: „Jede Klinik führt bis Jahresende fünf Behandlungspfade ein.“ – ist mir in der Krankenhauspraxis häufig begegnet. Und das Ergebnis war immer das Gleiche: Behandlungspfade wurden entwickelt und implementiert, im klinischen Alltag finden sie jedoch keine Anwendung. Oftmals entwickelte ein einzelner Mitarbeiter mit hohem zeitlichem Aufwand Behandlungspfade – ohne genau zu wissen, mit welchem Krankheitsbild er anfangen soll-, die anderen kennen sie vielleicht nicht einmal. Somit war das Ziel „Pfade einführen“ zwar erreicht, aber es entstand kein wirklicher Nutzen; vielmehr noch, die Abneigung gegen das neue Instrument war für alle Zeit geboren.

„Pfade einführen“ alleine ist also kein Ziel für sich; es kann nur Mittel zum Zweck sein. Es gilt für ein Krankenhaus oder eine medizinische Fachabteilung viel mehr, sich zunächst einmal genau zu überlegen, welches strategische Ziel mit der Einführung klinischer Behandlungspfade verfolgt wird. Sobald das Ziel geklärt ist, fällt es leichter, die relevanten Krankheitsbilder für die eine Pfadentwicklung auszuwählen.

Dabei kommen ganz unterschiedliche Ziele in Betracht, z.B.:

Ziel: Verbesserung der Organisation

  • Krankheitsbilder, bei denen regelmäßig im Behandlungsverlauf Ressourcenengpässe auftreten (z. B. notwendige Diagnostiktermine vor einer OP finden nicht rechtzeitig statt, weil die zur Verfügung stehenden Termine nicht ausreichen; Folge sind unnötige OP-Verschiebungen)
  • Indikationen mit hoher Komplexität und/ oder stark risikobehafteten Behandlungen: Das Vorgehen für die Behandelnden soll mittels der Behandlungspfade transparent werden, vor allem bei Krankheitsbildern, bei denen das zeitnahe Ausführen von Behandlungsschritten einen entscheidenden Faktor für den Behandlungserfolg spielt, wie bei einem Schlaganfall. Hoch komplexe Krankheitsbilder bergen das Risiko, dass durch zu viele „wenn… dann“- und „aber…“-Verzweigungen der Überblick verloren geht. Hier können Behandlungspfade den Überblick verschaffen, wobei es bei diesem Ziel wichtig ist, nicht den Anspruch zu verfolgen, den Behandlungspfad bis ins kleinste Detail auszuarbeiten, sondern die Übersichtlichkeit im Auge behalten.

Ziel: Verbesserung der interprofessionellen und interdisziplinären Kommunikation 

  • Beispielsweise in chirurgischen Abteilungen sehen die Pflegekräfte anhand von Behandlungspfaden, welche den berufsgruppenübergreifenden Behandlungsablauf abbilden, den nächsten Schritt, auch wenn gerade alle Ärzte im OP und nicht erreichbar sind.
  • Krankheitsbilder, die im Rahmen von Zentrumsbildungen eine verstärkte interdisziplinäre Kommunikation erfordern
  • Indikationen, die Bestandteil von integrierten Versorgungsverträgen sind 

Ziel: Verbesserung der Behandlungsqualität

  • Krankheitsbilder mit qualitativen Defiziten, zum Beispiel Indikationen mit im Branchenvergleich höheren Mortalitätsraten Ziel: Verbesserung der Außendarstellung
  • Indikationen der Kernkompetenzen, um klinische Behandlungspfade als Aushängeschild und Marketingmaßnahme zu nutzen (z. B. können die Behandlungspfade im nächsten Schritt als „Stundenplan“ für die Patienten aufbereitet werden)

Ziel: Verbesserung der Kostentransparenz und -struktur 

  • Indikationen mit der häufigsten Fallzahl, um komplette Prozess- und Kostentransparenz zu erlangen und, wenn medizinisch zulässig, den Fall DRG-optimal zu planen
  • Unterschiedliche Therapiemethoden bei gleichen Diagnosen, zum Beispiel wenn es in einem Universitätsklinikum mehrere chirurgische Abteilungen mit homogenen Patientengruppen mit der gleichen Diagnose gibt. Abteilung A operiert ihre Patienten am ersten Tag nach der Aufnahme, Abteilung B hingegen operiert am zweiten Tag und erzielt somit eine längere Gesamtverweildauer
  • Indikationen mit einer hohen Kostenintensität, zum Beispiel die budgetvolumenstärksten DRGs bzw. die DRGs mit dem höchsten Case-Mix-Index. Dieser besagt, dass es sich um Diagnosen mit einem immanent großen Ressourcenaufwand handelt, der theoretisch ein großes Optimierungspotential prognostiziert.
  • Indikationen mit einem hohen Anteil am Umsatz

Ziel: Verbesserung der Wettbewerbsposition

  • Indikationen mit einer breiten Datenbasis, um gute Ergebnisparameter im Pfadcontrolling und im Benchmarking zu erlangen
  • Indikationen mit auffälligen Abweichungen zum Branchendurchschnitt, zum Beispiel Indikationen mit längeren Verweildauern, entweder der kompletten oder der prä- bzw. postoperativen Aufenthalte

 

Die Ziele und Auswahlkriterien sollten es erleichtern, die Aufgabenstellung „Pfade einführen“ für Ihr Haus oder Ihre Abteilung zu spezifizieren.

Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting:Die Vorteile von einer über die Bereiche und Berufsgruppen abgestimmten Kommunikation, Prozessmanagement und von Leanmanagement realisieren sich nicht von unsichtbarer Hand.

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