011. Leanmanagement und Prozessorganisation
Leanmanagement und Prozessorganisation
Im Prozessmanagement im Krankenhaus werden Prozesse häufig lückenhaft und als vereinfachter Ist-Zustandes abgebildet. Der eigentliche Nutzen, im Sinne der Kontinuierlichen Verbesserung, Prozesse straffer, besser und einfacher zu machen, wird nur unzureichend verfolgt. Häufig mit dem Vorwurf: Wir produzieren ja keine Autos.
Dabei liefert das Toyota Produktionssystem (TPS) mit der Idee des Leanmanagements, die wiederum auf die Theorien von Taiichi Ohno und Shigeo Shingo zurückgeht, durchaus wichtige Hinweise für die Prozessgestaltung auch im Dienstleistungsbereich Krankenhaus. Es geht um die Eliminierung von Verschwendung (jap. Muda). Im Kern sollten bei der Prozessdarstellung und –gestaltung immer die sieben Arten der Verschwendung beachtet werden:
1. Überproduktion
Industrie: Es wird mehr produziert wird als geplant/erforderlich.
Beispiele im Krankenhaus:
- Überplanung des OP-Programms von vornherein
- zu hohe Schichtbesetzung bei bekannter niedriger Auslastung in Abteilungen mit hohem elektiven Patientengut (z.B. Ferien, „Sommerloch“ )
2. Überflüssige Bewegungen
Industrie: Lange Anfahrtswege von großen Maschinen führen zu unnötigen Bewegungen und damit ggf. zu Verzögerungen.
Beispiel im Krankenhaus:
- Die unzureichende Ausstattung von OP-Sälen mit medizintechnischen (Groß-) Geräten führt zu überflüssigen Bewegungen der Geräte zwischen verschiedenen Sälen.
3. Wartezeiten
Industrie: Wartezeiten des Bedieners bei einem Arbeitsschritt der Maschine oder auf Grund von Reparaturen/ Störungen der Maschine.
Beispiele im Krankenhaus:
- Aus Patientensicht: Wartezeiten vor diagnostischen Maßnahmen oder bei der administrativen Patientenaufnahme.
- Aus Mitarbeitersicht: Wartezeiten des Stationsarztes auf die Akte, die gleichzeitig in der Funktionsdiagnostik benötigt wird.
4. Transporte
Industrie: Transporte bringen ein Werkstück nicht dem Endzustand näher, sondern verändern nur seine Position in der Fabrik.
Beispiele im Krankenhaus:
- Patiententransporte, die vom Pflegepersonal durchgeführt werden, das somit nicht für originäre Pflegetätigkeiten auf der Station zur Verfügung steht.
- Unnötige Patiententransporte können vermieden werden z.B. durch mobile Blutentnahme/Needle- oder EKG-Teams.
5. Überbearbeitung
Industrie: Es finden zu aufwendige oder überflüssige Arbeitsgänge statt.
Beispiele im Krankenhaus: Es finden unnötige Doppeluntersuchungen statt auf Grund
- fehlender Dokumentation,
- nicht vorhandener Voruntersuchungen,
- fehlender verbindlicher Diagnostikalgorithmen
- Unsicherheit beim Personal.
6. Hohe Materialbestände
Industrie: Hohe Lagerbestände verursachen Kapitalkosten und erfordern räumliche Kapazitäten.
Beispiel im Krankenhaus:
- Überbestellung von medizinischem Verbrauchsmaterial auf den Stationen oder im OP-Bereich (nicht bedarfsgerecht).
7. Nacharbeit
Industrie: Nachbearbeitung führt wiederum zu Wartezeiten und höheren Kosten.
Beispiele im Krankenhaus:
- Ein Patient kann morgens nicht entlassen werden, weil die Entlassungsdiagnostik zu spät angefordert und durchgeführt wurde.
- OP-Termin muss verschoben werden, weil eine Aufklärung des Patienten nicht stattfand oder im OP nicht auffindbar war.
- Umlagerung eines Patienten im OP, weil widersprüchliche Seitenangaben in OP-Plan und in Krankenakte zur Lagerung auf der falschen Seite führten.
Wir können die sieben Arten der Verschwendung auf das Krankenhaus übertragen. Bei der Beschäftigung mit den Prozessen in Ihrem Krankenhaus lohnt es sich, genau diese Arten von Muda zu identifizieren und zu eliminieren. Es leuchtet unmittelbar ein: So lassen sich spürbar Verbesserungen für Patienten und Mitarbeiter erzielen, die obendrein auch noch die Effizienz erhöhen.
Die Erfolge bei Toyota waren enorm: drastischen Verkürzung der Lieferzeiten (Produktionszeiten), Reduzierung der Lagerbestände und Kosten, gleichzeitig Qualitätsverbesserung. Die Erfolge in den nachahmenden Produktionsbetrieben haben demgegenüber nicht diese Durchschlagskraft bewiesen, über eine schlanke, fokussierte Prozessorganisation gleichermaßen Qualität und Wirtschaftlichkeit wahrnehmbar zu verbessern.
Dies führt vor Augen, dass auch erfolgreiches Ideenmanagement nur erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann, wenn der Komplexität der Systeme ausreichend Beachtung geschenkt wird.
Wesentliche kritische Erfolgsfaktoren sind beachtet, wenn zum Start der Umsetzung
1. Es eine richtungsgebende Kraft gibt, die die Fokussierung und Umsetzung als ihr ureigenstes Anliegen sieht.
2. Leanmanagement als zweistufiges Konzept auch konsequent umgesetzt wird:
- erst KANBAN (das Management der Strukturqualität von an der Produktionsstätte benötigen Ressourcen), -- dann KAIZEN (die kontinuierliche Verbesserung der Prozessqualität am Arbeitsplatz).
3. Adverse Anreizstrukturen abgebaut werden, die Partialinteressen zu Lasten des Gesamtinteresse fördern, so dass ein gesamtheitlicher Blick geöffnet wird.
4. Raum für "Organisational Slack", Puffer, verbleiben, die das Gesamtsystem robust gegen Störungen machen.
Alleine diese vier Faktoren verdeutlichen, warum es ein bedeutsamer Balanceakt ist, an den richtigen Stellschrauben ins System einzugreifen und Leanmanagement in der Umsetzung wirksam zu machen. Die Herausforderung und Chance macht die Intelligenz einer exzellenten Prozessorganisation aus.
Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting:Die Vorteile von einer über die Bereiche und Berufsgruppen abgestimmten Prozessmanagement und von Leanmanagement realisieren sich nicht von unsichtbarer Hand.
09.10.2010 – 16:15 Uhr
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