177. Kernkompetenz Neugier - Teil I: Vom homo oeconomicus

Kernkompetenz Neugier - Teil I: Vom homo oeconomicus

Vom homo oeconomicus zum homo curiositas? Die moderne Zeit erfordert offengeistige Menschen. Mitarbeiter, die lernbegierig und offen für neue Erfahrungen sind. Mitarbeitende, die nicht nur repetitive, standardisierte Prozesse beherrschen, sondern die auch neugierig und offen für neue Erfahrungen sind.[1]In Zeiten, in denen wir kaum noch Fünfjahrespläne kennen, in denen Langfristpläne kontinuierlich zu überarbeiten sind, braucht es für neue Probleme tatsächlich neue Lösungen, kurz: Innovationsfähigkeit. Gemeint ist also nicht „soziales Neugierig-Sein“, Sensationslust, Seine-Nase-in-alles-Stecken, sondern das, was Psychologen unter „epistemischer Neugier“ verstehen. Also Neugier, die darauf gerichtet ist, Informationen auf kognitiver Ebene zu verarbeiten, Neues zu entdecken und sich neues Wissen anzueignen. Sie ist damit verbunden, Fragen und in Frage zu stellen sowie mit der Freude am Lösen von Problemen. Eine Form von Neugier also, die als Kernkompetenzen nicht nur bei Wissenschaftlern ist, sondern ebenso auch bei modernen Führungskräften und Leistungsträgern dringend erforderlich wird.


Neugier und Ehrgeiz - und das körpereigene Belohnungssystem

In der menschlichen Evolution kam es bis heute jederzeit auf die Kombination von Neugier und Ehrgeiz an, von Wissen-Wollen und Dranbleiben. Die Verdrahtung im Gehirn passt sich kontinuierlich an. Kreativität ist sowohl Prozess als auch Folge, die als Ergebnis entsteht, nicht aber deren Voraussetzung. Albert Einstein erklärte seinen Erfolg einmal genau so:

„Ich habe keine speziellen Talente, ich bin nur leidenschaftlich neugierig.“[2]

Neurobiologisch hat die Verknüpfung einen Hintergrund: So weisen Neugierige eine erhöhte Aktivität im Nucleus caudatus auf, einen in der menschlichen Evolution herausgebildeten Bereich des Striatums. Dieser ist unmittelbar mit dem Nucleus accumbens vernetzt, einen Bereich mit intensiven Eingängen zum limbischen System, der auf Neurotransmitter Dopamin reagiert und positive Emotionen in Form von Glücksgefühlen erzeugt. Der Wunsch nach neuem Wissen wird also intrinsisch motiviert – körperlich als Dopaminverlangen. Kognitiver Wissensdurst strebt immer weiter nach Belohnung durch tiefe Emotion in Form von Glücksgefühlen.


Wende im Menschenbild: emotionale und motivationale Ebene kommen ins Blickfeld

Der „emotionale Turn“, Neugier als existenzielle Emotion und wichtige Triebfeder für Weiterentwicklung zu sehen, ist in der Betriebswirtschaft und angrenzenden Forschungsfeldern recht jung und stellt (im modernen europäischen Menschenbild des Ökonomen) eine völlige Neubewertung dar. Erst mit der Jahrtausendwende änderte sich die cartesianische[3] Perspektive auf den Menschen als rein rational agierendes Wesen (homo oeconomicus). Mit dem Abschied vom rationalen Entscheider und dem Menschen als reinen Produktionsfaktor in der Ökonomie entstand nun sukzessive ein Menschenbild, das

  • kognitive (verstandesmäßige Wahrnehmung),
  • affektive (Fühlen) und
  • motivationale (Wollen[4]) Motive verbindet.

Mit den heutigen Alltagstechnik und quasi unbegrenzt verfügbaren Daten haben wir eine Zeit, die wie geschaffen ist für den „homo curiositas“. Der zentrale Faktor für Entfaltung von Neugier ist, dass zum Übermaß an Zahlen-Daten-Fakten (Kognitive Wahrnehmungsmöglichkeit) eine Mischung aus positiv besetzter Emotionen und motivationaler Bewertung hinzukommt. Dann werden diese mit dem vorhandenen Wissen zu neuen Informationen kombiniert und verknüpft.

Welche Bewertungen die Neugiermotivation bei Menschen emotional triggern, ist für Führungskräfte hilfreich zu wissen. Das schauen wir uns im nächsten Blogbeitrag an. Neugierig?


 

[1] Der vorliegende Beitrag beruht in seinen Kernüberlegungen stark auf dem hervorragenden Paper von Steinle, Andreas/ Naughton, Carl (2014): Neugier-Management.

[2] Aus einem Brief an Carl Seelig vom 11.3.1952 als Antwort auf die Frage nach seiner wissenschaftlichen Begabung. Vgl. Weinzierl, Ulrich (1982): Carl Seelig, Schriftsteller, Wien, S. 135.

[3] René Descartes (1596-1650), Begründer des modernen frühneuzeitlichen Rationalismus. Von ihm stammt das berühmte Dictum „cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich.“). Sein rationalistisches Denken wird auch Cartesianismus genannt.

[4] "Leistung = Wollen x Können x Dürfen“. Vgl. Feedbackstrukturen zur Sicherung von Veränderung entlang der Leistungsformel, Ruhl Consulting Blog Nr. 160. 

 

 

Lesen Sie Impulse zum Führen und Management im Krankenhaus weiter im neuen News Blog der Ruhl Consulting: Neugier und Ehrgeiz kombiniert erzeugen Wissensdrang. Biochemisch entsteht intrinsiche Motivation, die Innovation und Kreativität anregen.

 

 

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